Ein Lette schlägt dem Regen ein Schnippchen

Event Mareks Arents ist Sieger der fünften Auflage des Geislinger Stabhochsprung-Meetings. Ständiger Regen hatte den Wettkampf für die Starter zum Glücksspiel werden lassen. Von Jochen Weis

Im vergangenen Jahr war er noch Zweiter, nun hat es beim Geislinger Stab hochsprung- Meeting mit dem ersten Sieg geklappt. Mareks Arents aus Lettland. Rundum glücklich war der 31-Jährige dennoch nicht: „Ich freue mich natürlich riesig über meinen Erfolg“, sagt Arents, „aber mit meiner Leistung bin ich überhaupt nicht einverstanden.“ Im zweiten Versuch hatte er 5,26 Meter übersprungen – und damit bereits die Konkurrenz hinter sich gelassen.

Grund dafür war das schlechte Wetter, das den Wettkampf für alle Starter zum Kampf gegen den Regen werden ließ. Normalerweise nehmen Springer von Arents’ Güteklasse diese Höhe mal eben im Vorbeigehen mit. Zum Vergleich: Tags zuvor hatte er beim Lentos-Jump im österreichischen Linz als Viertplatzierter noch 5,40 Meter gemeistert, im Vorjahr waren es in Geislingen 5,45 Meter gewesen – zehn Zentimeter weniger als beim Sieger 2016, Stanley Joseph aus Frankreich.

Obwohl es sich Arents nun hätte gemütlich einrichten können, ließ er am Samstag in Geislingen noch 5,36 Meter auflegen. „Ich habe ihm gesagt, er muss nicht mehr weitermachen“, erzählt Meeting-Direktor Klaus Täubert, der im Vorfeld des Wettbewerbs eigentlich auf Höhen „im Bereich von 5,60 Meter oder 5,70 Meter“ gehofft hatte, angesichts von Temperaturen um die 14 Grad und Dauer-Geniesel froh war, „dass wir das Springen überhaupt durchziehen konnten“. Für Arents aber war Aufgeben keine Option. „Ich liebe das Springen, ich möchte immer weitermachen so lange es geht“, sagt er, „am Ende war aber einfach nicht mehr drin. Was mir wirklich auch für die Zuschauer leidgetan hat.“

Erstes prominentes Wetter-Opfer war bei der Einstiegshöhe von 5,06 Meter der Leverkusener Karsten Dilla, der zusammen mit seinem Klubkollegen Tobias Scherbarth und dem Norweger Eirik Dolve zum engeren Favoritenkreis gehört hatte: Drei ungültige Versuche, das war’s gewesen in seinem letzten Wettkampf der Saison. „Es ist schon richtig frustrierend, wenn man dafür extra aus Leverkusen anreist. Beim Stabhochsprung wird es bei einem solchen Wetter aber irgendwann gefährlich, da muss man vorsichtig sein“, erzählt Dilla. Grundlegendes Problem: Die Hände sind klamm und feucht, haben am Stab kaum noch Grip. „Dass ich mich so aus der Saison verabschieden muss, ist bitter. Aber wenigstens bin ich ohne Verletzung geblieben.“

Immerhin konnte froh sein, wer schon bei 5,06 Meter in den Wettkampf eingestiegen war: Für Dolve, Marvin Caspari (Leverkusen) und den Linz-Sieger Scott Houston – der US-Boy hatte dort mit 5,50 Meter die Konkurrenz auf die Plätze verwiesen und hernach spontan in Geislingen angfragt, ob er dort starten dürfe – reichte jeweils ein gültiger erster Versuch für den späteren geteilten zweiten Platz. Lamin Krubally (Landau) bewältigte diese Höhe im zweiten Anlauf, was ihm Platz drei bescherte.

Weitere Springer kamen erst gar nicht in die Wertung: Im verbliebenen Acht-Mann-Feld bei 5,26 Meter – darunter der Franzose Baptiste Boirie und Malte Mohr (Wattenscheid) – war Arents der Einzige, der überhaupt die Latte liegen ließ.

Scherbarth, der wie Boirie und Mohr bei dieser Höhe in den Wettbewerb eingestiegen war, hätte zwar noch die Chance gehabt, sich in den nächsten Durchgang zu stemmen. Nach dem zweiten Versuch brach er aber den Wettkampf ab – eine Vernunft entscheidung, die Verletzungsgefahr war einfach zu groß: Der 32-Jährige startet noch in der Fly-Europe-Serie in Paris (13. September) und Rom (20. September) für Deutschland.

„Ich habe schweren Herzens abgebrochen, in dieser Veranstaltung in Geislingen steckt so viel Herzblut, so viel Arbeit“, sagt Scherbarth, der noch unter der Woche mit 5,60 Meter und Platz zwei beim Domspringen in Aachen ein Ausrufezeichen gesetzt hatte: „Ich hatte mir auf jeden Fall vorgenommen, in Geislingen um den Sieg zu springen. Aber bei einer Freiluft-Sportart spielen die Witterungsbedingungen nun einmal eine große Rolle. Hier hatten wir Gegenwind und Regen, das ist einfach kontraproduktiv.“

Für Mohr, der in München lebt und tags zuvor in Linz mit 5,30 Meter Achter geworden war, hatte der Samstag indes schon chaotisch angefangen: Der 31-Jährige war auf der Autobahn im Stau stecken geblieben, kam gerade noch auf den letzten Drücker in Geislingen an und musste sprichwörtlich kalt in den Wettkampf gehen.

„Ich mach’ das ja jetzt schon ein paar Jährchen, ich kenne auf dieser mobilen Bahn meine Anlaufpunkte und brauche jetzt nicht zwingendermaßen ein Einspringen“, sagt Mohr, „so gesehen war alles in Ordnung. Aber leider hat halt der Regen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Da steckt einfach im Hinterkopf, dass es gefährlich ist. Deshalb bin ich da leider etwas zögerlich.“ Nach der verpatzten Premiere in Geislingen – Mohr war erstmals am Start – steht für ihn aber schon fest: „Ich würde im kommenden Jahr gerne wieder dabei sein.“

Allem Sauwetter zum Trotz hatten die 600 Zuschauer – zwei Drittel weniger als in den Vorjahren – am Ende doch noch einen Sprung über 5,50 Meter erlebt: Der Franzose Boirie hatte im Showprogramm des Meetings mit Stab und Elektro-Skateboard diesen Satz gewagt. Dabei schießt er auf seinem Board mit gut 40 Stundenkilometer auf die Stabhochsprung-Anlage zu und wuchtet sich dann in die Höhe.

„Die Idee dazu hatte ich 2012. Ich habe das in Clairmont-Ferrand einfach mal zum Spaß gemacht, damals mit einem ganz normalen Skateboard“, erzählt er: „Danach habe ich gemerkt, dass es mit einem elektrischen Board viel besser geht.“ Die Boards wurden immer größer, die Antriebe stärker, „inzwischen ist daraus ein Extremsport geworden“.

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Fehlender Leistungsgedanke, fehlendes Ansehen Leichtathletik

Den Sport plagen Nachwuchssorgen. Ein gesellschaftliches Problem, sagt Richard Spiegelburg.

Geislingen. Beim Geislinger Stabhochsprung-Meeting wurde ein Problem offensichtlich, das nicht nur diese eine Sparte plagt: Zwischen den Arrivierten, den alten Hasen, und dem Nachwuchs klafft eine Lücke: Tobias Scherbarth ist 32, Malte Mohr 31, Karsten Dilla 28 – ebenso alt die aktuelle deutsche Nummer eins, Raphael Holzdeppe. Lamin Krubally und Gordon Porsch als Vetreter der Jung en zählen 22 Lenze, sind aber noch ein ganzes Stück weit entfernt von internationaler Klasse.

„Im deutschen Männer-Stabhochsprung klafft eine kleine Lücke“, bestätigt auch Richard Spiegelburg, Trainer von Silke Spiegelburg sowie bei der LG Filstal, die in Felix und Oskar Neudeck (beide TGV Holzhausen) zwei der größten deutschen Talente in ihren Reihen hat. „Wir haben aktuell zu wenig, was von unten nachrückt und drückt“, sagt Spiegelburg: „Ich hoffe aber mal, das ist nur ein kleines Tief, das sich wieder gibt.“

Beschwören will es der 40-Jährige allerdings nicht. „Das Problem betrifft nicht nur den Stabhochsprung und die Leichtathletik, man kann es auf alle olympischen Sportarten beziehen.“ Die Gesellschaft sei nicht mehr so sportbegeistert wie früher – und zwar in dem Sinne, selbst Sport zu treiben. „Da gibt es noch die Trendsportart Fußball, zu der die Leistungswilligen hingehen. Da bleibt dann nicht mehr viel übrig für die anderen Sportarten.“

Allerdings ist Spiegelburg weit davon entfernt, König Fußball an den Pranger zu stellen, ihm die ganze Malaise im Sport anzuhängen. „Die Frage ist doch vielmehr: Wie kann man den Leistungssport im allgemeinen – sofern man es denn will – wieder mehr fördern?“, sagt er

Da sieht er die gesamte Gesellschaft in der Pflicht, allen voran die (Bildungs-) Politik und in der Folge die Schulen. „Sport muss in der Schule wieder besser etabliert werden. Es fehlt meiner Ansicht nach der Leistungsgedanke, im Sportunterricht wird er immer mehr herausgenommen. In anderen Fächern ist das undenkbar.“

Ein weiteres Problem: „Leistungssport ist in der westlichen Welt nicht mehr so angesehen“, betont Spiegelburg: „Man sieht es schon an den olympischen Spielen. Welche westliche Gesellschaft möchte überhaupt noch diese Spiele austragen?“ Auch Hamburg und München hätten nach Bürgerentscheiden auf ihre Bewerbungen verzichtet. Spiegelburg: „Und für das, was nicht angesehen ist, gebe es nun einmal weniger Sponsoren und damit weniger Geld.“ ⇥Jochen Weis

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Stabhochsprung-Meeting 2016

Das Stabhochsprung-Meeting punktet mit Athleten, die sich zu Höchstleistungen aufschwingen und einem Publikum, das jeden einzelnen Sprung feiert.

Das Stabhochsprung-Meeting mobilisiert die Massen: So voll wie am
Samstag war die Geislinger Fußgängerzone schon lange nicht mehr..
FOTO: GZ – ALEXANDER JENNEWEIN

Am Vormittag zeigt zunächst der Stabhochsprung-Nachwuchs in der Geislinger Fußgängerzone, was er kann: Sieben junge Athleten weihen die Anlage ab 11 Uhr vormittags ein und beeindrucken teilweise mit neuen persönlichen Bestleistungen.

Den Anfang machen Anna Hanses (SSV 1864 Ulm) und Melinda Diebolder (LG Filstal), die in Schülerklasse W15 antreten. Einstiegshöhe ist 2,50 Meter, dann geht es zügig nach oben und die restlichen Athleten steigen nach und nach ein.

Auch die Zahl der Zuschauer steigt im Laufe des Wettbewerbs kontinuierlich an. DJ Jürgen Dreher heizt mit lauter Musik die Stimmung zusätzlich an. Seine Favoriten: Immer wieder dröhnen „Highway to Hell“ und „Jump“ aus den Lautsprechern.

Als es für Anna Hanses beim dritten Versuch für 2,80 Meter aufs Ganze geht, kann sie denn auch auf Unterstützung der Zuschauer setzen: „Unterstützen wie sie alle“, fordert der TG-Vorsitzende Holger Scheible, der das Meeting moderiert, auf. „Mithilfe des Geislinger Publikums schafft sie es.“ Er behält recht. Souverän segelt Anna Hanses über die Latte. Mit dieser Höhe verabschiedet sie sich auch aus dem Wettbewerb – die 2,90 Meter schafft sie an diesem Vormittag nicht. Traurig ist sie deswegen aber nicht. „Ich war lange verletzt und konnte nicht viel trainieren“, erzählt sie. Der Wettbewerb mitten in der Geislinger Altstadt habe ihr viel Spaß gemacht. „Die Musik war voll gut, da ist die Atmosphäre nicht so angespannt.“

Für Melinda Diebolder geht der Wettbewerb weiter: Bei der Höhe von 3,00 Metern macht sie es spannend. Die Latte springt mehrmals in der Halterung auf und ab – aber sie bleibt oben. Mit 3,10 Metern schließt sie ihre Teilnahme sogar noch mit einer persönlichen Bestleistung ab.

Als beste U18-Frau schneidet mit 3,40 Metern Lea Madlen Fundel (LG Eningen-Reutlingen) ab und mit einer persönlichen Bestleistung von 4,10 Metern endet der Wettbewerb für Stefanie Daubner (SSV 1846 Ulm), die als Einzige in der Frauenklasse antrat.

Die Brüder Felix und Oskar Neudeck (LG Filstal) treten in der männlichen Schülerklasse M14 an. Felix verbessert seine persönliche Bestleistung um zehn Zentimeter auf 3,80 Meter. Am höchsten springt an diesem Vormittag der U18-Mann Fabian Brummer (LG Filstal) mit 4,40 Meter. Auch Brummer versucht zum Abschluss noch, eine neue Bestmarke zu setzen und gibt bei seinen drei Versuchen über 4,60 Meter alles. Aber es sollte einfach nicht reichen.

Nach dem Nachwuchsspringen laufen 30 Mitglieder der TG Geislingen zur Hochform auf – wenn auch nicht zu einer sportlichen. Sie stehen bei der Modenschau der „Geislinger Sterne“ als Models im Mittelpunkt und machen den Anlaufsteg der Hochsprunganlage zum Catwalk. Eingekleidet von Kopf bis Fuß von den Geislinger Mode- und Sportgeschäften machen sie eine gute Figur: ob in brandneuer legerer Herbstmode, schicken Sport-Outfits oder edlen Anzügen.

Pünktlich zum Start des Wettkampfs um 15.30 Uhr läuft auch das Publikum zu Hochform auf. Auf allen Seiten ist die Sprunganlage mehrere Reihen tief von Zuschauern umringt. Beim Anlauf feuern die Geislinger die Sportler mit rhythmischem Klatschen an. Sind die Athleten in der Luft, halten sie kollektiv die Luft an. Bei Erfolg brandet lauter Jubel auf. Hochsprung-Veteran Michel Frauen (Bayer 04 Leverkusen) erklärt den Zuschauern die restlichen „Spielregeln“. „Beim dritten Versuch müssen alle aufstehen und dem Athleten besonders viel Energie mitgeben“, empfiehlt er. „Dann schafft er es.“ Am besten schneidet der Franzose Stanley Joseph mit der Sieghöhe von 5,55 Metern ab. „Das Meeting war super, die Stimmung einmalig“, fasst Zuschauer Georg Melcher nach Ende des Wettkampfs die Atmosphäre in der Fuzo zusammen. „Endlich war mal was los in Geislingen. Die Athleten haben uns Höchstleistungen geboten.

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