Vereinshistorie der TG Geislingen

Peter Lecjaks – 20.06.2021

TG Geislingen feiert mit angezogener Handbremse

Die Turngemeinde Geislingen kann in diesem Jahr (2021) auf ihr 175jähriges Bestehen zurückblicken. Eigentlich ein Anlass, um mit den Mitgliedern dieses Vereinsjubiläum gehörig zu feiern, was auch so geplant war. Allerdings hat nun die Corona-Pandemie dieses Vorhaben vereitelt. Wenn überhaupt, wird es im September auf dem Geiselsteingelände eine kleine Jubiläumsfeier geben. Außerdem befindet sich eine Jubiläumsbroschüre in Vorbereitung, die sich mit der Vereinshistorie und dem aktuellen und für die Zukunft geplanten Vereinsgeschehen befassen wird.

Gründung
Am 20. Juni 1846 wird im Gasthaus „Schützen“ eine Versammlung abgehalten, und es wird zur Wahl der zur Leitung der Geschäfte des Vereins nötigen Vorstände und eines Ausschusses geschritten und hierbei gewählt: Zum Turnwart Adam Keppel, zum Verwalter (Kassier) Wilhelm Haug, zu Ausschußmitgliedern Pfarrverweser O. Mülot von Eybach, G. Schurr, J.G. Kemmel und J. Bausch. Zehn weitere Mitglieder werden als Gründer der Turngemeinde verzeichnet.

Im Gasthaus „Zum Schützen“ wurde am 20. Juni 1846 die Turngemeinde Geislingen gegründet

Am Montag, den 22. Juni 1846, beginnen die Übungen auf dem Turnplatz und die Turngemeinde Geislingen war hiermit ins Leben getreten. So lapidar lautet der Eintrag im 1. Band der allesamt erhaltenen Tagebücher der Turngemeinde Geislingen.

Die erste Satzung wird am 15. Juli 1846 unterzeichnet. Ihr Inhalt ist in der Festschrift zum 50jährigen Bestehen der TG folgendermaßen zusammengefasst: Verlangt werden von den Mitgliedern vor allem Unbescholtenheit und Reinheit der Sitten, sodann als Zweck und Ziel der Turner die Kräftigung und Stählung des Körpers, die Hebung der geistigen Anlagen, Weckung des Brudersinnes und die Einigung und Freiheit des deutschen Volkes zu erstreben.

In den Jahren nach der Gründung hat es in der Vorstandschaft häufigen Wechsel gegeben. Gründe dafür sind nicht nur gewisse „vordemokratische“ Gepflogenheiten, wie jährliche Neuwahlen, sondern auch die Tatsache, dass die meist recht jungen Turner alsbald zur weiteren beruflichen Fortbildung die Stadt wieder verlassen. Aber es gibt auch Streitigkeiten, kleinere, größere und ganz große, die bis zur Auflösung der Turngemeinde und deren Neugründung führen. So erfolgt am 5. Januar 1850 die Neugründung der Turngemeinde mit neuen Statuten und 15 Mitgliedern.

TG-Vorturnerschaft 1913 Hintere Reihe v.l.n.r.: Hans Wallisser, Karl Kiener, Schwegel, Karl Wörn Vordere Reihe v.l.n.r.: Albert Kälin, Ströhle, Martin Eberhard, Schwarz, Seitz, Eisenmann Sitzende Reihe v.l.n.r.: Adolf Goll, Hans Thierer, M. Göttle, Willi Herold, Grupp Vorne liegend v.l.n.r.: Fritz Geyer, Albert Götz

Die Entwicklung in den ersten Jahren
Bereits 1862 wird die Mitgliederzahl 100 überschritten, 1929 dann die 1000er-Grenze. Geübt wird regelmäßig. Anfangs am Montag, Samstagabend und am Sonntag in der Steingrube, dem heutigen Stadtpark. Im Winter wird, sofern es die Witterung erlaubt, im Freien an Sonntagnachmittagen weitergeturnt. Anschließend begibt man sich ins Vereinslokal, bis Mai 1847 das „Rötelbad“, dann die „Glocke“. Dort gibt es Vorlesungen, Vorträge und dgl. Jeden Donnerstagabend ist Gesangsunterricht bei Lehrer Haug.

 

Schauveranstaltung der TG im Stadtpark 1926

Das erste Turnfest in Geislingen findet am 25. Juli 1847 statt. Etwa 50 auswärtige Turner aus Ulm, Göppingen, Heidenheim, Schwäbisch Gmünd und Stuttgart nehmen teil. Am Pfingstmontag, den 28. Mai 1855, findet auf dem Turnplatz die feierliche Weihe der durch die Geislinger Jungfrauen gestifteten Fahne statt.

Der Turnrat der TG beim 90jährigen Jubiläum 1936 Stehend v.l.n.r.: Willy Lächler, Georg Herrlinger, Karl Lächler, Gustav Rall, Emil Krauß, Jakob Oechsle, Adolf Härdtle, Wilhelm Göttle, Otto Brech, Fritz Bosch Sitzend v.l.n.r.: Hans Wallisser, Richard Benz, Wilhelm Stahl, August Pulvermüller, Matth. Göttle, Wilhelm Eisenmann, Eugen Krauß

Aus der TG gehen Feuerwehr und Sanitätskolonne hervor
Die TG-Mitglieder fühlen sich jedoch nicht nur der Turnerei, sondern auch dem Gemeinwohl verpflichtet. So ist es auch zu erklären, dass bereits 1847 TG-Turner als Motor für die Gründung der Feuerwehr hervortreten. Die Verpflichtung der Mitglieder lautet: bei vorkommenden Feuersbrünsten zur Dämpfung derselben und zur Rettung desjenigen, was noch zu retten ist, nach Kräften mitzuwirken.

Im Juni 1870 wirft der deutsch-französische Krieg seine ersten Schatten. Alles ist in größter Aufregung und wartet mit Spannung, was die Zukunft bringen wird. Vierzehn TG-Mitglieder werden zum Militär einberufen. Der Ausschuss des Schwäbischen Turnerbundes fordert dazu auf, in Geislingen ein Sanitätskorps zu gründen. Sofort stellen sich die Turner, aber von Stuttgart kommt die Antwort, dass sie nicht benötigt werden, da schon so viele Freiwillige zum Sanitätsdienst im Felde angemeldet seien. Schließlich dauert es bis ins Jahr 1888, dass die schon mehrmals besprochene Gründung einer Sanitätskolonne offiziell vollzogen werden kann. Spontan haben sich 41 Männer aus den Reihen der Turner bereit erklärt, beizutreten.

Sportstätten der Turngemeinde
Die erfolgreiche Entwicklung der Turngemeinde ist eng mit den Sportstätten verbunden. Wird noch anfangs in der Steingrube geübt, fasst man am 9. Mai 1859 den Beschluss, zum Bau einer Turnhalle einen Grundstock anzulegen. Am 4. September 1864 erfolgt die feierliche Einweihung. Damit verfügen die Turner im Bereich der heutigen B10-Kurve beim Amtsgericht über den lange ersehnten Winterturnplatz.

TG-Schwimmbad
Als am 5. März 1910 etwa 20 schwimmbegeisterte Turner eine Schwimmabteilung gründen, werden die Übungsstunden in der 12 m langen Badewanne des Rötelbades am Fuße des Rorgensteigs abgehalten. Bereits am 23. Juli 1911 findet dort das erste Schwimmfest unter Mitwirkung auswärtiger Vereine statt. Als dieses Schwimmbad ein Opfer der Inflation wird, greift die Abteilung im Rohrachtal zur Selbsthilfe.

Ohne Bagger und andere maschinelle Hilfsmittel, werden im sog. Weiher am weißen Weg über 1100 m³ Erde und Schlamm von Hand ausgehoben und mit Schubkarren weggefahren. In der Geiselsteinschlucht werden Natursteine gebrochen, um das Becken einzufassen. Am 10. August 1924 ist dann für die TG und ihre Schwimmer der große Festtag gekommen – mit der Einweihung hat die TG die erste sportgerechte 50-m-Bahn Süddeutschlands aufzuweisen. Bei der Einweihung finden auch Vorführungen von Rettungsschwimmern statt und diese blieben Bestandteil bei allen Schwimmveranstaltungen. Schließlich wird im Jahre 1934 aus den Reihen der TG-Schwimmer die DLRG-Ortsgruppe Geislingen offiziell ins Leben gerufen.

Schwimmwettbewerb im Jahre 1960

Einweihung des TG-Freibads am 10. August 1924

Der Winter 1962/1963 versetze dem beliebten Sommerspaß nach 40 Jahren den Todesstoß. Eine Ecke wurde zerstört, das ganze Erdreich war feucht, die Rohrach drückte herein. Nachdem das TG-Bad 30 Jahre lang die einzige Erfrischungsmöglichkeit für die Geislinger war, kam im Jahre 1953 mit dem Wölkbad eine städtische Einrichtung hinzu.

TG-Spielplatz auf dem Geiselstein
Nach dem Ende des 1. Weltkrieges (1914 – 1918) wird bei den vom Feld heimkehrenden Turnbrüdern der Wunsch nach einem Spielplatz immer lauter. Beim Geiselstein erwirbt man zu diesem Zweck im Jahre 1921 Gelände. Mühsam ist der Weg für die Mitglieder, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Es sind vor allem Schwierigkeiten technischer Art, da der gewachsene Fels bei der Anlegung des Platzes große Probleme bereitet. Aber auch die Beschaffung der Geldmittel ist nicht einfach. So ist es eine große Hilfe, dass die WMF Arbeitsgeräte, wie Pickel, Schaufeln, Gleise und Kipploren zur Verfügung stellt. Als die Kräfte erlahmen, immerhin wird beinahe zeitgleich im Rohrachtal das TG-Schwimmbad gebaut, ist man froh, als sich im Frühjahr 1923 der Leiter der in Geislingen vorübergehend stationierten Einheit der Ordnungspolizei, Leutnant Schneider, und später dessen Nachfolger, Hauptmann Kicherer, der Sache annehmen. Nach Verlegung der Polizeiabteilung steht ein kleines Häuflein Getreuer immer noch vor einem riesigen Berg Arbeit. Dies führt dazu, dass im Frühjahr 1925 beschlossen wird, die Arbeiten zu vergeben. Von privater Seite erfolgt die Finanzierung. So kann bereits am 14. Juni 1925 der Spielplatz unter reger Beteiligung der Bevölkerung eingeweiht werden.

Geiselsteinhaus
Für eine vollwertige Einrichtung fehlt jedoch noch ein Unterkunftshaus. So wird am 11. März 1928 vom TG-Turnrat beschlossen, ein Holzhaus, 12 m x 7 m, zu erstellen. Das Gebäude kann bereits am 10. Juni 1928 eingeweiht werden.

Das erste Geiselsteinhaus 1928

Es hat bis Anfang der Sechziger Jahre treue Dienste geleistet. 1964 wurde beschlossen, das alt und morsch gewordene Geiselsteinhaus durch ein neues zu ersetzen. Es dauert dann allerdings drei Jahre, ehe das neue, vergrößerte Geiselsteinhaus im Jahre 1967 eingeweiht werden kann.

Groß ist die Trauer der Geiselsteingemeinde, als dieses behagliche Heim in der Nacht zum 30. März 1984 durch einen unbekannt gebliebenen Brandstifter ein Raub der Flammen wird. Der Wiederaufbau gelingt mit Spenden zahlreicher Mitglieder und Freunde bis zum Oktober 1985 nach Planung des ehemaligen 1. Vorsitzenden Karl Drexler und unter der Bauleitung des langjährigen Hüttenwartes Werner Semmler.

TG-Stadion im Eybacher Tal
Über viele Jahrzehnte hinweg hat die TG nur den vereinseigenen Spielplatz auf dem Geiselstein und den Stadtpark als Übungsplatz im Freien zur Verfügung. Bis zum Jahre 1943 wird für Handballspiele sowie für technische Disziplinen in der Leichtathletik der Städtische Sportplatz, heute Nel Mezzo Einkaufszentrum, benutzt. Nach langer Suche und Prüfung verschiedener Standort-Alternativen wird das Angebot der Stadtverwaltung, im Eybacher Tal einen Sportplatz mit Aschenbahn errichten zu können, angenommen.

Sportplatzbau im Eybacher Tal

In der 1952 herausgegebenen Denkschrift über den Ausbau einer Aschenbahn im Eybacher Tal liest sich ein Satz, als wenn er erst heute geschrieben worden wäre: Die derzeitige Finanzlage der Stadt dürfte ein solch großes und dringend erwünschtes Vorhaben wohl für eine lange Reihe von Jahren nicht erlauben. Was bleibt der TG also anderes übrig, als erneut unter Einsatz großer persönlicher, sachlicher und finanzieller Opfer den raschmöglichsten Ausbau in Angriff zu nehmen?


Ferdinand Specker übernimmt den Vorsitz des Bauausschusses und bekommt vom Turnrat alle Vollmachten. Zuerst müssen große Erdbewegungen vorgenommen werden. Durch den Einsatz einer amerikanischen Planierraupe, kann einiges an Geld gespart werden. Der Verein wird mobil gemacht und die Jugendlichen und Mitglieder werden zu einem freiwilligen Arbeitsdienst aufgerufen. Das Echo ist erfreulich gut, an den Wochenenden sind oft bis zu 40 TeilnehmerInnen vor Ort, um in seltener Treue von Jung und Alt, Männern und Frauen, an dem Platz zu arbeiten. An der Spitze dieser Ehrenamtlichen machen sich besonders Hans Wallisser, Kurt Nagel, Karl Wörn, Albert Kälin und Mathilde Lächler verdient.

Bau des TG-Stadions Zunächst hieß es für die TG-Arbeitsdienste unter Anleitung von Ferdinand Specker (rechts im Bild) MAG-Steine klopfen

Ein Jahr nach der Platzweihe wird auf den Fundamenten einer nie zustande gekommenen Kläranlage mit dem Bau der Tribüne begonnen. Noch heute bieten 12 Sitzreihen Platz für ca. 500 Besucher. Unterhalb der Tribüne werden bereits seinerzeit neben den sanitären Anlagen Wirtschaftsräume eingerichtet. Am 12. Juli 1964 kann die Stadionanlage insgesamt übergeben werden. Die größte Anerkennung gilt den Idealisten, die über 15.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden geleistet haben.
Im Jahre 1976 werden im TG-Stadion zwei Tennisplätze gebaut. Es folgt ein Kleinspielfeld mit Kunststoffbelag. Sechs Jahre später wird das Stadion grundlegend modernisiert. Die Aschenbahn weicht ebenfalls einem modernen Kunststoffbelag. 1988 erfährt diese Maßnahme eine Abrundung mit dem Umbau und der Erweiterung des Stadiongebäudes einschließlich des Einbaues eines Fitness-Raumes. Im Jahre 1993 werden die Tennisplätze renoviert, anstelle des Gummibelages gibt es einen sandverfüllten Kunststoffrasen.

Die Turngemeinde zeigt sich sportlich dem Trend der Zeit immer aufgeschlossen. So werden bereits 1997 zwei Beachfelder geschaffen, auf denen bis zum heutigen Tage regelmäßig stark besuchte Beachhandballturniere stattfinden. Die TG Geislingen darf sich rühmen, eines der größten und attraktivsten Turniere der Sandvariante im süddeutschen Raum zu veranstalten. Als der langjährige Trendsport Tennis nicht mehr den großen Zuspruch findet, wird 2011 ein Tennisplatz zusätzlich in ein Beachfeld umgewandelt.

Bei allen Baumaßnahmen seit 1977 steht der damalige 1. Vorsitzende Holger Scheible als Hauptverantwortlicher immer an vorderster Front. Wenn man bedenkt, dass das Stadion der Turngemeinde bis zum heutigen Tage die einzige Rundbahn in unserer Fünftälerstadt aufzuweisen hat, sieht man, mit welchem Weitblick die TG-Altvorderen zum damaligen Zeitpunkt ihre Aufgabe angegangen sind.

Im Jubiläumsjahr 2021 haben der 1. Vorsitzende Dr. Stephan Schweizer, die über 100 Übungsleiter und alle Vereinsverantwortlichen einschließlich der ca. 1500 Mitglieder, den ganz großen Wunsch, dass bald ein normaler Vereinsbetrieb möglich wird, um das üblicherweise vielfältige Sport- und Kulturangebot in den 20 Abteilungen und Sportgruppen wieder durchführen zu können. Erst dann kann auch der neue Vereinssportlehrer Florian Lecjaks richtig durchstarten, um eine zukunftsweisende Kindersportschule zu etablieren. Wenn die Corona-Pandemie so weit zurückgedrängt ist, dass Sportveranstaltungen mit Zuschauern möglich sind, werden auch Sportveranstaltungen mit Strahlkraft, wie der Sparkassenlauf oder früher das Stabhochsprungmeeting in der historischen Geislinger Altstadt, eventuelle Neuauflagen erfahren können. Bis dahin gilt es für die Beteiligten, das Vereinsschiff trotz aller stürmischen Einflüsse über Wasser zu halten, um zu gegebener Zeit den Turn- und Sportbetrieb und die geselligen Zusammenkünfte wieder zu ermöglichen.

Quellennachweis: Jubiläumsfestschrift 150 Jahre TG Geislingen